Stromautobahnen, Mautprofiteure und Politikwalzer
„Ist eine neue Stromtrasse notwendig?“ titelt die Augsburger Allgemeine in Ihrer Samstagsausgabe. Der Bedarf an Stromtrassen wird angezweifelt. Und das zu Recht. Für Unterfranken mag die „Thüringer Strombrücke“ noch vorübergehend Sinn ergeben.
Doch der gesamte Rest der Bedarfsplanung löst sich langsam in Wohlgefallen auf. Bayerns Thronanwärterin möchte mit Experten und Betroffenen reden, sagt Sie. Die Experten sind freilich genau die, die von der Errichtung der Stromautobahnen mit staatlicher Garantie profitieren und die Bundesnetzagentur. Die hat ihre Bedarfspläne auf Grundlage von Zahlen der großen Stromkonzerne und damit eben genau durch die Netzbetreiber, die nun als Experten in dieser Debatte Stellung nehmen sollen, erstellen lassen.
Großartig. Frau Aigner fragt also den Mastbetrieb und den Großschlachtbetrieb, welches der Hähnchen aus Massenzucht am ehesten ökologisch, nachhaltig und umweltverträglich ist.
In der Piratenpartei wird die Gewissheit, dass keine einzige der vier oder fünf Stromautobahnen, die geplant und in Ansätzen bereits im Bau sind, überhaupt notwendig ist, seit Jahren vertreten. Vielmehr weisen wir klar darauf hin, dass die Zukunft der Energieversorgung, besonders mit Strom als Hauptenergieträger, im konsequenten Ausbau dezentraler Erzeugung liegt. Parallel zum Ausbau von PV und Windkraft sind Batteriespeicher deutlich sinnvoller und auch wirtschaftlicher, wie uns Projekte in Braderup, Schwerin und auch in Eppishausen bei Kirchheim in Schwaben zeigen.
Die bei den Piraten seit Jahren deutlich und stark kommunizierte These der Überflüssigkeit großer Stromautobahnen wird inzwischen auch von etlichen Wissenschaftlern und Fachleuten außerhalb des Interessengebiets der „Big Four“ EnBW, Eon, Vattenfall und RWE bestätigt. Darunter namhafte Personen wie Prof. Claudia Kemfert, Umweltbundesamt und Prof. Michael Sterner, Universität Regensburg, der jüngst in der FAZ als Verfasser eines Gutachtens zur Befürwortung der Stromtrassen zitiert wurde. Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten, denn Sterner vertritt in seinem Gutachten genau das Gegenteil: Es gibt keinen technischen und volkswirtschaftlichen Bedarf für die Stromautobahnen. Die Qualitätsjournalisten der FAZ haben indessen weder das Gutachten gelesen noch den Professor um ein Statement ersucht.
Im Regierungsbezirk Schwaben beispielsweise existieren ca. 5.000 MW Stromerzeugungskapazität. Die höchste je abgerufene Last lag bei 1.972 MW. Die beiden Reaktoren Gundremmingen B und C haben je 1.344 MW Leistung. Schaltet man beide dauerhaft ab, verbleiben also noch immer 2.312 MW Leistung. Auch wenn ab heute keine OPV und keine Windkraft in Schwaben mehr ans Netz geht. Das sind immer noch über 300 MW mehr, als je abgerufen wurden.
Aigner vollführt mal wieder den sich drehenden Walzer zwischen der Beschwichtigung des Wahlvolks durch vermeintliche Experten und der Befriedigung der Interessen der Arbeitgeber eben dieser Experten. Die sind natürlich als Makler der Interessen Ihrer Arbeitgeber unterwegs. Ein Makler, der nicht unabhängig ist, war bislang aber noch nie für alle Beteiligten vertrauenswürdig. Insofern erfüllt sie Seehofers Vorgabe, keine Politik gegen die Bevölkerung zu machen. Sie macht sie halt an den Interessen der Bevölkerung vorbei und hofft, dass die sich von den Auftritten gut gekleideter Manager überzeugen lässt.
Neutrale Experten stehen zur Verfügung. Und mit den Piraten auch eine Partei, die außer ein paar pseudoprominenten Lautsprechern auch exzellente Fachleute hat, die diese Diskussion zu bereichern in der Lage sind. Ohne Stromtrassen und ohne Pumpspeicher in unseren Naturschutzgebieten. Die Frage ist. Hat sie auch den Mut, sich unabhängigen Experten zu stellen?
Von Glaubwürdigkeit schreibt Till Hoffmann in seinem Kommentar. „Glaubwürdigkeit“ war einer der häufigsten Begriffe auf den Plakaten der CSU in den letzten Wahlen. Angesichts der vielfältigen Personalskandale um Christine Haderthauer, Georg Schmid, KT von und zu Guttenberg, den Landrat Kreidl, Baumann in Geiselhöring, Otto Wiesheu, Gerold Tandler etc. darf man fragen, wie viel C und S in dieser Partei überhaupt steckt. Das mit dem U ist sowieso nur Fassade. „Glaubwürdigkeit“ ist dort entweder ein Euphemismus oder eine Art Satire.
Auch für Bayern steht die CSU schon lange nicht mehr. Die meisten haben es nur noch nicht gemerkt.
Links:
http://www.elektronikpraxis.vogel.de/energieeffizienz/articles/460612/?cmp=nl-95
http://www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/Europas-groesster-Oekostrom-Akku-ist-am-Netz,akku130.html
http://www.pressebox.de/inaktiv/robert-bosch-gmbh-gerlingen-schillerhoehe/Doppelbatterie-fuer-den-Stromspeicher-Braderup/boxid/681205
http://www.iwr.de/news.php?id=26658
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