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Was dem Einen sein 9-11, ist dem Anderen sein 09.11.

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Diese Ziffern sind gewaltig. Historisch, mit „Schicksal“ beladen, bedeutungsschwer, ein wahrhaft „deutscher“ Tag, episch im Wagnerschen Sinn und auch die Verbündeten in den USA verbinden seit 2001 mit den Daten eine Tragödie.

Diese Gedenktafel der 103. Infanteriedivision der US Army, die Ende April 1945 das KZ-Außenlager Kaufering VII und elf weitere in der nächsten Umgebung von Landsberg am Lech befreiten, war zwar nie für den Nine-Eleven der USA gedacht, doch wird keiner widersprechen, dass dieses auf Granit gebannte Statement uneingeschränkt auch für die Anschläge auf die Twin-Towers gelten wird.

Für die deutschen Staatsangehörigen seit der Staatsgründung 1871 verbindet sich das Datum regelmäßig mit symbolischen Ereignissen, die für das Staatswesen „Deutschland“ regelmäßig von epochaler Bedeutung waren.

Der 09.11.1918 war der Tag, an dem das Kaiserreich Deutschland nahe am Ende seiner Kräfte zu der Einsicht gelangte, dass der mit Stolz begonnene erste Weltkrieg in jedem Fall mit einer Niederlage enden würde. An diesem Tag kapitulierte das erste Mal ein deutscher Staat, dessen politische Essenz ganz wesentlich auf der Idee beruhte, allen anderen Völkern überlegen und ihnen gegenüber privilegiert zu sein.

Der Schock, der allen national gesinnten Bürgern des damaligen Reichs in die militärischen gedrillten Glieder fuhr, wirkte so lange nach, als bis er in der Katastrophe von 1945 enden musste.

Nimmt man die Töne aus der aufsteigenden AfD wahr, erkennt man, dass dieser Geist noch immer fortlebt.

Kein Wunder, dass das Datum dann für den Hitler-Ludendorff-Putsch in München 1923 gewählt wurde. Auch wenn dieser scheiterte, so war er doch Ausgangspunkt für die Entwicklung einer Strategie und eines umfangreichen Sets von Taktiken, die schließlich am symbolträchtigen 09.11. im Jahre 1938 in den Pogromen der so genannten „Reichskristallnacht“ gipfelten.

Ein Ereignis, bei dem sich viele an Fackelmärschen und Brandstiftungen beteiligten, sich für einen flüchtigen Moment der Depression entledigten, die sie seit dem 09.11.1918 im Herzen trugen, glaubten, dass dieser Moment die Wiederauferstehung des „Deutschen Reichs“ als ernstzunehmender Macht bedeuten würde.

Und nicht ahnten, dass dieses Datum nur der Testfall war, durch den die Verführer ausloteten, wo die Grenze sein könnte, bis zu der man gegen Juden und andere angebliche „Volksschädlinge“ vorgehen könnte.

Der Jubel einiger Lauter, das Schweigen und Hinnehmen vieler, gegenüber diesen Taten des 09.11.1938, sollten das Auftaktsfanal für die Katastrophe von 1945 bilden, die in der erneuten Kapitulation des „Deutschen Reichs“ mündete.

Dieser Auftakt ist der symbolische Startschuss, der das Überschäumen der Selbstwahrnehmung der Machthaber in Deutschland deutlich machen sollte. Und dieses Datum steht genau deshalb am Anfang einer Epoche, die schließlich eine Kapitulation, eine Trennung und Aufteilung der deutschen Länder zwischen zwei Machtblöcken, den Bau einer Mauer und letztlich den Fall dieser Mauer just zu diesem Datum zur folge haben sollte.

Dazwischen lagen 7 weitere Jahre Menschenverachtung, 6 Jahre Vernichtungskrieg, 4 Jahre organisierter Massenmord, unsägliches Leid, eine bis dahin nicht gekannte Perfidia gegenüber Menschen, ein Ausmaß an Manipulation sogar der Opfer gegen die Opfer.

So manches wurde nach dem Krieg in verdächtig ähnlicher Weise fortgesetzt, etliche Deutsche erlebten Verfolgung, Verweigerung staatsbürgerlicher Rechte und Freiheiten, Bedrohung, Folter, Haft aus politischen Gründen – nicht nur in der DDR.

Dieser gesamte Irrsinn entwickelte sich entlang einer Kette von 09.11. und endete symbolisch an einem solchen Datum.

Aber nur wenn wir dafür sorgen, dass es auch zu Ende ist und bleibt!

Dieses Datum wird auf Ewigkeit untrennbar mit der Geschichte aller Deutschen verbunden sein. Und es wird auf ewig die Verantwortung aller Deutschen sein, dafür zu sorgen, dass sich derartige Geschehnisse – egal ob in der Dimension extremer Perversion des Nationalsozialismus oder in der paranoiden Verweigerung von Menschenrechten, Grundrechten und Freiheitsrechten des DDR-Regimes – nie wieder wiederholen.

Meiner Meinung nach sollten wir als Deutsche für diesen Anspruch weltweit eintreten, wenn es sein muss auch mit militärischen Mitteln, sofern es die UN gutheißen.

So wie es die Gedenktafel der 103. US-Infanteriedivision an der europäischen Holocaustgedenkstätte uns mitteilt.

Never again!

Aus diesem Grund habe ich als Pirat am 09.11.2014 am Gedenken an den 09.11.1938 teilgenommen, während in weiten Teilen der Bundesrepublik – insbesondere an Zentralen Orten – das Feiern, Trinken, Tanzen, Singen und Lachen im Vordergrund stand.

Es beschämt mich nicht, wenn Menschen das Ende einer willkürlichen.politisch motivierten Trennung von Familienangehörigen, Verwandten und Freunden an so einem Tag feiern. Es ärgert mich aber, wenn sie die Begleitumstände des symbolischen Tages, der für die Ursache der erlittenen Trennung und Schmerzen steht, leichtfertig und erschreckend unsensibel für ihre Feierlichkeiten des selben Datums nutzen.

Und die Opfer der Vergangenheit dabei vergessen. Und es zulassen, dass in ihrer „Mitte“ erneut Menschen mit den gleichen Aufrufen zu Gewalt und Hass diese Opfer der Vergangenheit erneut schmähen.

Sie lassen zu, dass ihre eigenen Leiden geschmäht werden. Denn totalitär bleibt totalitär. Ob Rechts oder Links ist unbedeutend.

Ich habe keinen Bezug zu den Opfern des DDR-Regimes, ich habe den Fall der Mauer als Beobachter erlebt. Aber ich habe einen Bezug zu den ca. 15.000 Menschen, die dort ermordert wurden, wo ich heute lebe. Ich habe als Kind in den Ruinen der 11 Außenlager des KZ Dachau, Außenlager Kaufering, gespielt. An Orten, an denen die die meisten der härtesten Photographien und Filmaufnahmen zur Dokumentation der Nazi-Verbrechen gemacht wurden. An Orten, an denen Männer der SS angesichts der anrückenden Amerikaner, Baracken mit todkranken Häftlingen darin mit nicht mehr abtransportierbarem Benzin getränkt und mit den noch Lebenden darin angezündet haben. Ich habe mich als Kind über die Brandspuren gewundert, die auf freiem Feld zu sehen waren. Ich habe wahrgenommen, wie diese Relikte nach und nach heimlich still und leise „entsorgt“ wurden. Und ich habe mich gewundert, warum niemand meine Fragen nach der Bedeutung dieser Ruinen und warum sie aufgegeben wurden, beantworten wollte. Das waren die Jahre,in denen ich jegliches Vertrauen in „die Erwachsenen“, die „Politiker“, die Behören usw. verloren habe,

Als ob damit das Geschehene durch Schweigen und die Behauptung von Nichtwissen ungeschehen gemacht werden könnte. Und nun stelle ich fest, dass offenbar viele nicht mehr wissen, was mit dem 09.11 verbunden ist. Zu viele.

Die Verbrechen werden vom Ende anderer Verbrechen verdrängt und geraten in Vergessenheit. Doch sind diese Verbrechen zu groß, um je vergessen werden zu dürfen. Denn sonst hätten Adolf Hitler und seine Spießgesellen am Ende recht: Die Verbrechen wären bedeutungslos und damit ihre Opfer ebenfalls.

Das können wir nicht wollen! Niemals! Niemals wieder!

Ich verstehe, dass mir in meiner Kindheit niemand etwas über die Ruinen und Relikte erzählen wollte. Ich verstehe, dass diese Dinge zu beschämend für die Zeitgenossen waren und es ihre menschliche Kraft überstiegen hat, sich dem Geschehen zu stellen.

Doch wir leben im Hier und Heute. Wir haben zu den Geschehnissen der Nazi-Zeit keine persönliche Verbindung und keinen persönlichen Bezug. Wir sind lediglich historisch und geographisch näher dran als die übrige Menschheit. Es gibt folglich nichts aus dieser Zeit, für was wir uns schämen müssten. Noch nicht! Schämen müssen wir uns, wenn wir zulassen, dass der Geist dieser Zeit wieder aufersteht. Schämen müssen wir uns, wenn wir den geistigen und emotionalen Nachfolgern dieser Verbrecher erlauben, diese Zeit wieder zum Leben zu Erwecken und erneut eine lächerliche und unbedeutende Vorstellung des Begriffs „Nation“ zur Anstiftung zum Hass auf Nicht-Mitglieder dieser Nation zu missbrauchen.

Ich fühle mich in erster Linie als Bayer, dann als Europäer und Deutscher bin ich bestenfalls im Sinne des Grundgesetzes. Und nicht einmal der Anspruch des Staates BRD auf mich als Person, gibt irgendjemandem das Recht mich als weniger oder mehr wert als jeden anderen Menschen zu definieren.

Und deshalb gedenke ich an einem 09.11 der Opfer der Reichspogromnacht, des 11.September 2001, des Versuchs, durch einen Putsch in München die gewählte Regierung zu stürzen, den 20 Millionen Toten des 1. Weltkriegs, den 60 Millionen Toten des 2. Weltkriegs und der Toten der Mauer und der Zonengrenze sowii der Opfer rassistischer Gewalt in meiner Heimat.

Und mit Bewunderung der Widerstandskämpfer, der Republikflüchtlinge, all der Couragierten, die für Freiheit, Gleichheit, Solidarität, Menschenrechte, Grundrechte und Bürgerrechte eintreten. Und ich habe die Freude über den Fall der Mauer geteilt.

Dieser Tag ist für mich allerdings kein Anlass zum Feiern. Es ist ein Tag des Gedenkens.

Thomas Blechschmidt

11.11.2014

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